Wir waren am Wochenende in Mondulkiri, einer abgelegenen Bergregion im Osten von Kambodscha. Fuer die 350 KM Strecke waren wir (mit 3 kurzen Pausen) 9 Stunden unterwegs - die Strassen warten noch auf ihr europaeisches Qualitaetszertifikat. Vor Ort wurden mit dem Anblick einer der schoensten Polizeistationen ueberhaupt belohnt:
Wir setzten uns auf einen Elefanten und liessen uns durchschaukeln. (Ein Elefanten-Ritt ist hier genauso alltaeglich und normal wie bei uns zu Hause in Barmbek. Soll heissen gar nicht und wird letztendlich nur angeboten fuer zahlungswillige Touristen.)
Mondulkiri ist uebrigens Malariagebiet. Das kostete den geliebten Hypochonder an meiner Seite einige Nerven und wie er sagte schlaflose Naechte. Das sieht dann so aus:
"Und wahrend wir immer mehr ankommen verabschiedet sich die Regenzeit. Der letzte Regenguss ist schon 5 Tage her"
Kaum hatte ich es geschrieben setzte der Guss auch schon ein:
Ich finde das ja ein bisschen kleinlich vom Wetter-Macher...
Gestern Abend waren wir im Kino. Von unserem letzten Kinobesuch wussten wir, dass wir frueh gehen muessen. Letztes mal war der Film war um 21 Uhr zu Ende und glich damit einer Mitternachtsshow. Nach Filmende zeigten uns ein paar muede Putzkraefte den Hinterausgang der Einkaufs-Mall. Laeden und Restaurants waren schon geschlossen. Auf der leeren Strasse fanden wir mit Muehe ein Tuk Tuk, unsere Hauswirte waren entsetzt, dass wir so spaet noch unterwegs waren. In den touristischen Ecken der Stadt moegen die Bars und Discos noch im vollen Betrieb sein, im normalen Alltagsleben der Kambodschaner aber werden die Buergersteige um 8 Uhr zugeklappt. Sollten Stephan und ich dann noch unterwegs sein werden wir mehrfach darauf angesprochen, auch wirklich (wirklich!) auf uns aufzupassen. Ob dieser Warnungen erwarteten wir in europaeischem Geiste schreckliche Berichte in den Zeitungen von der Jungend- und Bandenkriminalitaet. Aber alles was wir finden sind Berichte von Handtaschendieben, die gestern auf dem Markt einer Besucherin die Tasche entrissen. Der Dieb wurde von der Polizei gefasst und sitzt in Gewahr. Wir haben noch nichts von organisierter Grosstadt-Kriminalitaet oder marodierenden Banden gelesen oder gehoert.
Das passt fuer uns nicht recht zusammen. Wenn die Hitze nachlaesst und ein lauer Wind geht wird es richtig schoen. Muesste nicht das Leben auf der Strasse dann anfangen, so wie in Europa in den Mittelmeerlaendern? Die einzige Erklaerung die wir uns dafuer zurecht legen koennen liegt in der Geschichte des Landes . Bis in die spaeten 90’er Jahre (!) wurden in Kambodscha noch immer Kinder und Jugendliche verschleppt und von den roten Khmer instrumentalisiert. Alle Erwachsenen in unserem Alter sind im Buergerkrieg gross geworden: Der Friedensvertrag zwischen den verfeindeten Parteien innerhalb Kambodschas feiert dieser Tage sein 20 jaehriges Jubilaeum. Und dieser Vertrag war erst der Beginn fuer den dann startenden Friedensprozess innerhalb des Landes.
Und dann ergibt es einen Sinn, wenn wir die Strasse entlang laufen und an den Haeusern die fest eingegitterten Fenster sehen. Einzelstehende Haeuser in der Stadt haben alle eine hohe Mauer um sich gezogen, gerne mit Nato-Draht abgesichert. Normale Stadthauser sind mit Gittern vor Tueren und Fenstern ausgestattet. Und in unserer Strasse ist man ab acht Uhr Abends zu Hause – zumindest aber in Sichtnaehe der Familie. Und es bleibt immer jemand im Haus. Auch bei Urlaubsfahrten der Familie bleibt mindestens ein Mitglied zu Hause. Weder Stephan und ich noch Nora aus dem Nachbarhaus haben Schluessel fuer unsere Haustueren (also Haus-Gitter) erhalten. Es ist ja eh immer jemand da, der uns aufmacht. Wenn wir lange unterwegs sind, sollen wir Bescheid geben. Aber lange unterwegs sein ist eh ungewohnt. ... .. . Womit sich der Kreis zum Kinoabend wieder schliesst: wir sind gestern also in die Frueh-Vorstellung gegangen, die um acht Uhr zu Ende war. Zu Hause wurden wir an der Tuer (also am Gitter) erwartet, es wurde offensichtlich schon Ausschau gehalten, hinter uns wurde abgeschlossen.
Eine typische Wohnstrasse in der Stadt sieht also wie folgt aus.
Erst nach ein paar Wochen fiel mir auf: die Gitter und Tueren haben allesamt keine Klinken. Es gibt an den Gittern lediglich Haken und Oesen, um Schloesser einzuhaengen. Die Zimmertueren in den Hauesern haben diese Drehknaeufe, wie sie es sie auch in England (?) und USA gibt.
Die vergitterten Vorraeumen sind unterschiedlichst genutzt. Von Stauraum bis Garage, verlaengertes Wohnzimmer oder kleiner Verkaufsraum fuer Alltagsbedarf ist alles moeglich.
Wir sind seit 7 Wochen in Phnom Penh. Es ist nicht mehr alles neu und fremd und erstaunlich. Es ist vielmehr so, dass wir inzwischen unseren kleinen Alltag organisiert haben und den auch im Griff haben. Wir wissen, wo in der Stadt das leckere Graubrot nach deutschem Rezept gebacken wird und wir kennen die Ecke, wo Zeitungen verkauft werden. Stephan organisiert den Haushalt, er kennt die Bankautomaten und deren Tuecken und geht einkaufen. Ich kuemmer mich um das Grosse Ganze und den Weltfrieden.
Und wahrend wir immer mehr ankommen verabschiedet sich die Regenzeit. Der letzte Regenguss ist schon 5 Tage her, seit einer Woche scheint morgens sogar die Sonne. Tagsueber weht ein heisser Wind der zwar keine Abkuehlung bringt, der aber die stehende Hitze angenehm durchwirbelt. In unserem Schlafzimmer haben wir die Klimaanlage auf 26 Grad eingestellt. Wenn wir abends von der Terrasse ins Schlafzimmer kommen erscheint uns der Raum so kalt, dass wir hinter unserem Bett Ausschau nach kleinen Pinguinen halten.
Unveraendert ist das Verkehrs-Chaoos in der Stadt. Neu ist nur, dass ich inzwischen aktiv im Chaos mitmische. Mit einem YIPPIE-Ruf auf den Lippen schwinge ich mich auf mein Fahrrad und kaempfe vor und auf den Kreuzungen um jeden Zentimeter. Die zwei einzigen Verkehrsregeln habe ich gelernt:
(1) Gross hat Vorfahrt
Gelaendewagen also haben ob ihrer schieren Groesse Vorfahrt. Wenn sie sich die SUVs langsam in die Kreuzung schieben weichen die Autos aus. Die Mofas weichen den Autos aus und die Fahrradfahrer umfahren die Mofas. Fussgaenger? Denen gnade Gott.
Ausnahme dieser Regel ist Stephan. Wenn Stephan mit seinen 1,83 Metern, Bart, Ohrringen und Schlapphut die Strasse quert haelt der Verkehr an. Maenner am Lenkrad halten mit offenem Mund Abstand vor der Erscheinung, Frauen und Kinder drehen sich um und erstarren.
(2) Masse macht Macht
Ein einzelnes Mofa hat hier keine Moglichkeit ueber die Kreuzung zu kommen. (Siehe Regel 1) Aber 20 Mofas zusammen ergeben eine kreuzungsfaehige Strassen-Macht. Und so warten einzelne Mofas zunaechst am Kreuzungspunkt. Jedes dazukommende Mofa schiebt sich rechts der links an den Wartenden vorbei und draengelt sich ein paar Zentimeter weiter nach vorne. Und wie eine zaehfluessige Masse schiebt sich dann eine Armada von Mofas langsam in die Kreuzung. Rechts und links stauen sich neue Autos und Mofas. Wenn sich genug Masse gesammelt hat, schiebt sich von dort wieder langsam ein zaeher Fluss Mofas und Autos in die Kreuzung.
Als Fahrradfahrerin fahre ich also gerne im Pulk mit 30 anderen Mofas ueber die Strassen. Dabei gilt es jeden Zentimeter auszunutzen um irgendwie nach vorne zu kommen. Abstaende muessen nicht eingehalten werden, Fussgaengerwege sind fuer Autos gesperrt – fuer alle anderen Fahrzeuge aber willkommene Fahrbahn. Es ist grossartig! Und da kann Hamburg noch von lernen. Ich erwaege, ab Januar in der Hansestadt diesbezueglich aktiv Hilfezu leisten und Kulturtransfer zu vollbringen.
Auch bezueglich Transportfaehigkeit und Ausnutzung moeglicher Stauraumkapazitaeten koennen wir noch lernen:
Zwei weitere Mitarbeiter sind im Buero angekommen und Bueroschreibtische sowie Arbeitsplatzrechner werden knapp. Ich habe mir also kurzentschlossen ein kleines Nebook gekauft, um tagsueber am Schreibtisch voll einsatzfaehig zu sein und des Abends auf der Terrasse meine Hochleistungsarbeit zu Ende fuehren zu koennen:
Drei Monate Lebensarbeitszeit-Urlaub auf einer tropischen Terrasse fuer eine 27%’er Erfolgsquote bei Spider Solitair mit 4 Farben sind keinesfalls fehl eingesetzt. NIEMALS! Glaub ich zumindest nicht. Meistens zumindest nicht. Und jesses, war es heute wieder heiss.
Fuer die Kenner der Materie sei gesagt: es ist ein Acer Aspire One D257, mit CPU N570 (1,66 GHz, 1MB L2 cache), 2 GB DD3 Memory, 3320 GB HDD Storage und kostete 295 Dollar (ca 230 Euro). Die Verkaufsargumente fuer mich waren: er hat Tastatur, Bildschirm, das besagte Spider-Solitair Spiel und er ist niedlich Dunkelrot.
Jetzt aber das eigentlich berichtenswerte: das Kerlchen laeuft auf der Vollversion (!) von Windows 7 und hat eine Vollversionen (!!) des Windows Office 2010 aufgespielt. Beim Kauf des Rechners wurde mir eine lange Liste mit Software-Namen vorgelegt und ich durfte mir auswaehlen, was mir auf den Rechner installiert werden sollte. Welche Versionen von Windows und Office soll’s denn sein, welche Player, Dictionairies, whatevers sollen zussaetzlich drauf kommen? Ich soll einfach die Kreuze an den gewuenschten Programmen setzen und in 4 Stunden kann ich dann den fertig installierten Rechner abholen.
Ich muss etwas irritiert geschaut haben denn ich wurde beruhigt: ich solle einfach sagen was ich will, es wuerde nichts kosten, ich wueder halt fuer die Software keine Lizenz kaufen, koenne also nichts updaten – aber das wuerde der Laden dann als Service-Leistung kuenftig fur mich uebernehmen.
Seitdem raetseln Stephan und ich, ob das nun lediglich rechtliche Grauzone ist, im Land egal und ab Landesgrenze aber furchtbar illegal ist? Waehrend wir die Diskussion fuehren lege ich meinen original 4 Dollar Piaggio-Mofahelm zur Seite und wir holen unsere 5$-Nike-TShirts von der Leine und falten meine 4$-Chanel-Leibchen. Von weitem hoeren wir die Produktmanager von Microsoft leise weinen.
Ich hatte ja damit gerechnet, dass jeden Tag punkt 14 Uhr der Monsunregen darniederkommt. Oder auch jeden Tag punkt 12 Uhr und 18 Uhr - das ist dann noch symmetrischer und fernostasiatisch geheimnisvoller. So zumindest meinte ich es in den Reisefuehrern gelesen zu haben. Ja – ich bestehe darauf – im Reisefuehrer steht „jeden Tag" und es klingt eine feste Uhrzeit mit an.
So. Wieder nix mit fernostasiatisch geheimnisvoll. Im Gegenteil - europaeisch bodenstaendig regnete es hier die letzten Wochen mal ein paar Tage gar nicht, dann kommt ein heftiger Schauer oder auch mal ein anhaltender Regen. Wann und wieviel Regen faellt ist hier grundsaetzlich genauso Smalltalk-Thema wie bei uns zu Hause im Fahrstuhl.
Allerdings ist der Regen inzwischen nicht mehr Smalltalk-Thema sondern Gegenstand dringlichster Notstands-Gespraeche. Das Land geht derzeit wortwoertlich unter. Die Wasserstaende steigen, die Reisfelder vergammeln und die Kuehe stehen in Zeltlagern an den Strassen.
In der Stadtt Phnom Penh selber bekommen wir von der dramatischen Situation wenig mit. Es regnet halt ab und an. Ok - dann regnet es sehr sehr heftig. Dann stehen die Strassen unter Wasser und an manchen Strassenecken sammeln sich ganze Seen. Aber - Stichwort fernasiatisch geheimnisvoll - muss das nicht so sein? Als unser Chef das erste mal stoehnte, wo nur das ganze Wasser herkomme war ich irritiert: es ist Monsun-Zeit, sollte ich ihm das jetzt etwa erklaeren muessen?
Es zeigte sich, dass mir erklaert werden musste, dass die derzeitigen Zustaende weder normal noch geheimnisvoll sind. Es regnet dieser Wochen mehr und heftiger als sonst. Und auch die landschaftsfuellenden Seen, die sich von den (hoehergelegten) Strassen rechts und links bis fast zum Horizont ausdehnen sind nicht jahrszeitlich monsun-typisch. Als unbeleckte Touristin habe ich das ganze Wasser gesehen und noch gedacht, wie schoen das ausschaut: all das Wasser mit ab und an herausragenden Palmen und kleinen Baum-Oasen. Das schreibt auch mein toller Reisefuehrer, aus dem ich bereits unschaetzbar viele Hinweise auf das echte Leben in Kambodscha erhalten habe. (Und der bei den echt Lebenden in Kambodscha zu unzweifelhaft viel Staunen oder wahlweise Gelaechter fuehren wuerde, koennten sie ihn lesen). Mein toller Reisefuehrer schreibt naemlich davon, wie schoen das Land zur Monsunzeit ausschaut, wenn alles gruen ist und unter Wasser steht. Die Seen bis zum Horizont habe ich also unter „oh wie huebsch zur Monsunzeit“ verbucht.
Inzwischen sehe ich, dass sich die herausragenden Baum-Oasen gelb verfaerben und absterben. Und ich weiss, dass die Reisfelder zwar unter Wasser stehen muessten – aber die Reispflanzen selber aus dem Wasser herausragen muessen. See bis zum Horizont heisst also, dass unter dem Wasser Reispflanzen stehen, die alle schon nach drei Tagen ohne Sauerstoff gestorben sind. Im ganzen Land sind bereits knapp 400 Menschen im Hochwasser gestorben, die Auswirkungen der womoeglich kommenden Seuchen werden gefuerchtet.
Und es ist kein Ende in Sicht: das derzeit in Thailand und Laos herrschende Hochwasser wird Richtung Kambodscha abfliessen und die Notlage hier im Land sogar verlaengern.
Wir im dritten Stock unseres kleinen Gluecks sind davon unberuehrt. Und waere nicht die Notsituation im Lande muesste ich schreiben, dass wir uns auf jeden Regen freuen. Denn mit dem Regen kommt Wind, es folgen spektakulaere Blitze am Himmel und etwas Abkuehlung fuer kurze Zeit. Und die saftig gruenen Reisfeldern dort, wo die Katastrophe nicht angelandet ist, sind wirklich wunderhuebsch. Das heisst dass ich trotz der diesjaehrigen Flutkatastrophe eine Reise waehrend der Monsunzeit sogar empfehlen kann.
Und keinesfalls will ich sagen, dass jede Katastrophe auch seine guten Seiten hat. Aber vielleicht kann ich an dieser Stelle anmerken, dass sich derzeit voellig neue Karrierechancen auftun. In Thailand sind Unmengen von Krokodilfarmen ueberflutet worden. Aufgrund mangelhafter Hochwasser-Sicherheitsvorkehrungen sind unzaehlige Viecher mit dem steigenden Wasser freigekommen. Die Krokodilfarmen haben Kopfgeld fuer ihre entlaufenen Tiere ausgesetzt. Naja, soll heissen: die offiziellen Farmen (die die Steuern zahlen und registriert sind) haben Kopfgelder ausgesetzt fuer lebendig zurueckgebrachte Tiere. Die anderen Farmen, die jetzt lieber nicht offiziell vorstellig werden, halten still und warten ab. Das soll im uebrigen die Bevoelkerung auch tun. Wenn jemande im Wasser auf der Hauptstrasse ein paar Krokodile sieht, soll er oder sie ganz ruhig bleiben. Es seien junge Tiere, denn nur deren Haut und Fleisch ist verwertbar fuer Taschen und Steaks.Und die lieben Tierchen seien wahrscheinlich eher verunsichert als gefaehrlich, haben sie doch noch nie in ihrem Leben selber fuer ihr Mittagessen sorgen muessen.
Wir im dritten Stock halten Ausschau und geben unverzueglich die erste Krokodilsichtung bekannt.
Bis dahin ist jedermann (und jedefrau) aufgerufen nach Thailand zu reisen und sein Glueck beim Krokodilfang zu machen!
Wir kommen hier im Buero in engen Kontakt mit dem ganzen Patenschafts-Gedoens. Gute Menschen in Deutschland spenden Geld und hier wird es vor Ort verteilt. Das war bisher weder neu noch spannend. Das aendert sich dieser Tage ... Ich weiss natuerlich nicht, wie das mit den anderen wohltaetigen Organisationen ist, ich lerne hier ja gerade eben nur diese eine kennen. Aber deren Arbeit hier vor Ort beeindruckt mich.
Grundsaetzlich wird das Geld der Sponsoren nur persoenlich ausbezahlt. Drei bis viermal im Jahr faehrt ein Mitarbeiter von COMPED zu den Familen und zahlt ca 20 Dollar pro Monat an die Familie. Es wird bei dem Besuch nach den Schulnoten gefragt, nach den Schwerpunkten der Kinder und der allgemeinen Entwicklung. Einmal im Jahr wird ein Entwicklungsabericht geschrieben. Dazu werden die Fotos vom Kind und seiner Famile aufgenommen und dargestellt, was sich seit letztem Jahr veraendert hat. So soll sichergestellt werden, dass das gespendete Geld auch wirklich dem Kind zugute kommt und nicht von den Eltern fuer Essen oder Alkohol oder Sonstiges verwendet wird.
Da die Schulausbildung selber in Kambodscha umsonst ist, wird das Patenschaftsgeld benoetigt um die Kosten drumherum abzudecken: Schuluniform, das Essen tagsueber sowie Zusatzunterricht oder Transportkosten (Bus, Faehre) fuer den Schulweg. Viele Eltern haben das Geld fuer diese Zusatzausgaben nicht und nehmen ihre Kinder deswegen von der Schule; Die 20 Dollar je Monat sollen also nur die zusaetzlichen Schul-Kosten abdecken. Sie sollen nicht das eventuell zusaetzliche Einkommen abdecken, das das Kind erzielen koennte, falls es statt zur Schule zu gehen einer Arbeit nachgehen wuerde. Das heisst auch, dass die Eltern ein grosses Interesse amSchulbesuch ihrer Kinder haben muessen. Und das heisst auch, dass die Familie nicht zu den aermsten der Armen gehoeren kann. Wenn wirklich alles zum Leben fehlt, wenn weder Einkommen noch Wohnraum vorhanden sind werden die 20 Dollar je Monat natuerlich auf kurz oder lang zum Lebensunterhalt der Familie genutzt werden (muessen).
Nach dem Schulabschluss wird zusammen mit den Familien und den Kindern ueberlegt, wie es weiter geht. Je nach Abschluss-Noten wird versucht, einen Sponsor entweder fuer eine Berufsausbildung (Naeherin, Kosmetikerin o.ae.) zu finden oder einen Sponsor fuer einen Universitaetsbesuch. Das Selbstverstaendnis von COMPED hier ist es also, das Kind durch die gesamte Schulzeit zu bringen und den Schulbesuch auch nachhaltig wirksam werden zu lassen (mit Berufsausbildung oder Uni-Besuch). Oberstes Ziel ist die Nachhaltigkeit der Spenden und dass mit dem Geld eine langfristige Perspektive gesichert wird. Patenschaftskinder, die nach wenigen Jahren aus der Schule gehen oder genommen werden sind somit kein Erfolg fuer das Projekt.
Derzeit werden hier nur 70 Patenschaften betreut. Die Familien stammen aus bestimmten Regionen, so dass der Reiseaufwand zur Geldauszahlung moeglichst klein bleibt. Der Rahmen zur Patenschaftsbetreuung soll also ueberschaubar und die Qualitaet der Auswahl und Betreuung der Patenschaftsgelder erhalten bleiben. Auf der deutschen Seite laeuft das Patenschafts-Gedoens mittels Guter Menschen, die sich dafuer in ihrer Freizeit engagieren und die sich in einem Verein zusammengetan haben.
Und so sieht so ein Patenschaftsbericht aus
(70 solcher Berichte hat Stephan uebrigens die letzten Wochen ins Englische uebersetzt)
Die Patenschaft für das Mädchen Man Mary hat 2005 begonnen. Zu der Zeit war sie in der 3. Klasse. Jetzt, 2010/2011, geht sie in der 9. Klasse und beendet dadurch die staatliche Schulpflicht. Sie möchte aber unbedingt weiter bis zur 12. Klasse in die Schule gehen und, wenn irgend möglich, auch studieren.
Auch alle ihre Geschwister sind groß geworden und dadurch ist die Verantwortung der Eltern natürlich auch größer geworden. Der älteste Sohn ist 18 Jahre alt, geht in die 12. Klasse und wird im August die Schule mit dem Abitur abschließen. Er möchte weiter an der Universitaet studieren. Die Eltern wissen aber noch nicht, ob sie finanziell in der Lage sein werden, sein Studium zu finanzieren. Der zweite Sohn (drittes Kind) geht in der 7. Klasse und der jüngste Sohn in der 5. Klasse. Mit ihnen wohnt ihre 73jährige Oma.
Die Lebenssituation der Familie verbessert sich sehr wenig. Es liegt zum einen an der Familien- Konstellation und zum anderen an den gesellschaftlichen Bedingungen. Trotzdem die Familie sich sehr bemüht und hart arbeitet, um genügend Geld zu verdienen, steigt der Bedarf der Familie von Jahr zu Jahr und ist kaum noch zu decken. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung auf dem Land ist stehen geblieben. Um die finanzielle Situation etwas in den Griff zu bekommen, arbeiten beide Elternteile von morgens bis abends. Die Mutter ist mit unterschiedlicher Arbeit jeden Tag beschäftigt. Sie verkauft alles, was Menschen vor Ort brauchen, wie zum Beispiel Brennholz, Lebensmittel und kleine, von ihr zubereitete Gerichte. Außerdem arbeitet sie noch als Schneiderin, wenn sie einen Auftrag erhält.
Der Vater arbeitet als Schweißer, direkt vor dem Haus.
Sie sind sehr motiviert und fleißig und versuchen ihren Kindern wirklich eine Ausbildungschance zu geben.
Stephan und ich waren am Freitag mit auf einem Besuch bei einer Patenschaftsfamile. Wir wurden vom ganzen Dorf angestaunt und wir haben das Dorf zurueck angestaunt ...
Hier nimmt Sokun, der Mitarbeiter unserer Organisation, gerade Fotos zur Dokumentation fuer den Patenschaftsbericht auf.
Wie fast alle Land-Haeuser in Kambodscha ist der Schlafraum auf Stelzen im ersten Stock. Unten im Schatten ist der Wohnraum der Familie.
Nette Details am Rande: oben auf dem Balken ist mit Kreide (?) die Telefonnummer der Famile aufgefuehrt. Das ist das Equivalent zur Adresse des Hauses. Und im Hintergrund sieht man die Autobatterie, die fuer den Strom fuer Licht und Fernseher sorgt.
Zurueck in Phnom Penh... Alltags-Buerotage und Wochenenden fangen sich langsam an zu strukturieren. Es ist nicht mehr alles neu und manchmal faellt ein despektierlicher Kommentar aus der Rubrik Dritteweltjessesdasgehtdochauchandersmeineguetekinders.
Am Montag hatten wir endlich mal wieder einen ganz normalen Buerotag. Ganz normal geht dann so:
Der Wecker klingelt um kurz nach 6. Stephan toettert ein bisschen ob der Uhrzeit und seines Schlafmangels. Liebevoll saeusel ich ihm ins Ohr, dass er es schliesslich war, der hierher wollte. Es folgt ein kurzer Diskurs auf hohem kommunikativem Niveau zur weiteren Eroerterung und Klaerung der Frage, wer das war der unbedingt hierher wollte Gegen halb sieben stehen wir auf, ich ziehe noch etwas eingeweichte Waesche durch die Lauge. Mit einem freudigen Lobgesang auf Hamburger Waschmaschinen geht der Tag los.
Ich gehe ins Badezimmer und dusche. Wir haben kein warm Wasser, ich dusche kalt. Das war die ersten Tage noch charmant und problemlos und dem Klima angemessen. Inzwischen ist es einfach nur eine kuehle Dusche. Es gibt wenig Redewendungen und Sprichworte, die den Charme und das Wohlfuehlaroma einer kalten Dusche preisen. Das hat seinen Grund. Den erkennen wir nun des Morgens, wir seufzen ein wenig und setzen uns an den Fruehstueckstisch.
Dazu holen wir erst die gefrorene Butter, Leberwurst, und den eisigen Kaese aus dem Kuehlschrank unserer Vermieter. Der Kuehlschrank hat offensichtlich nur zwei Einstellungen: Eis und Extrakaltes Eis. Auf dem Tisch steht dann noch das grosse Glas Mayonaise, Senf, Erdnussbutter und Marmelade. Soviel also zu dem gesunden Fruehstueck der Asiaten. (Und nein - ich glaube nicht dass ich komisch esse, gefrorene Leberwurst mit Mayonaise auf ungeroestetem Toastbrot erscheint mir vollkommen plausibel. Und ja, die Tage sind sehr sehr heiss und ich krieg sehr viel Sonne ab - warum?)
Wir beeilen uns mit dem Fruehstueck, denn um halb acht sind wir unten auf der Strasse mit unserem Nachbarn verabredet, der uns ins Buero mitnimmt. Mirakuloeser Weise kommen wir trotz Berufsverkehr lebendig und wohlbehalten im Buero an. Wir brauchen fuer die ca 3 bis 4 KM knapp 20 Minuten (zu Fuss geht das gefuehlt nicht wesentlich laenger). Im Buero puzzeln wir uns durch den Vormittag, bis wir um 12 Uhr zur Kantine aufbrechen. Die Kantine ist eine vietnamesisches Restaurant um die Ecke, das lecker kocht, eine englische Uebersetzung (wichtig) der Speisekarte (sehr wichtig) hat und zudem einigermassen Englisch versteht. In dieser Kombination hat uns der Laden so begeistert, dass wir ihn zu unserer Kantine erklaert haben. Ich habe keinen Zweifel, dass diese Auszeichnung die gesamte Belegschaft stolz und gluecklich macht, ich rechne mit persoenlicher Weihnachtspost durch den Besitzer.
Die Mittagspause im Buero geht von 12 bis 14 Uhr. Die anderen 6 Kollegen gehen nach Hause und trudeln gegen 2 wieder ein. Stephan und ich sind meistens nach unserem Kantinenbesuch etwas frueher zurueck und nehmen das als Ausrede, des Abends auch etwas frueher zu gehen. Regulaere Buerozeit ist nochmal von 14 bis 18 Uhr. Wir machen also noch etwas wohltaetige Bueroarbeit (die Kollegen beschweren sich nur selten ueber die begleitende saeuselnde Geigenmusik, die unser wohltaetiges Tun untermalt). Allerdings hat der eine Kollege seit einer Woche immer Musik aus dem Rechner laufen. Wir hoeren seit Tagen die ganzen alten 60er Jahre Schnulzen, "Je t' aime" laeuft taeglich mindestens einmal, ab und an kommt ein Intervall mit guter alter deutscher Volksmusik. Die Wetten laufen, ob es zuerst zu lautem Mitsingen oder direkt zu mutwilliger Zerstoerung des Rechners unter Absingen schmutziger Lieder kommen wird.
Gegen 17 Uhr (plus minus einer halben Stunde) nutzen Stepahn und ich unseren Exoten-Status aus und verlassen das Buero. Wir spazieren nach Hause, nie ohne einem Zwischenhalt im Lucky-Markt, unserer Wohlfuehloase (Klimaanlage! Dollarpreise!! Euro-Importe!!!). Wir kaufen fuer unseren kleinen Hausstand Zeuges ein und stocken unsere Getraenkebestaende auf. Wir kaufen noch etwas Wurst oder Kaese ein um sie im Kuehlschrank zu Eis gefrieren zu lassen, finden eine neue Sorte klebrig leckerer Hersheys-Schokolde und ja, seit Neuestem verirrt sich auch ab und an eine Gurke oder eine Tomate auf unseren Tisch. Aber da sind wir sehr sehr vorsichtig. Die Vitamine aus der Trauben-Nuss Schokolade erscheinen uns sicherer.
Vollbeladen finden wir den 5 minuetigen Weg nach Hause. Unsere Vermieter sitzen im Erdgeschoss im Bistro und bestaunen uns. Jeden Tag kommen wir beladen nach Hause. Und jeden Tag legen wir einen Berg von Wasser-Plastikflaschen und Getraenke-Dosen fuer den Abfallsammler hin. Wir muessen fuer die Leute in unserer Strasse wie Wesen vom fremden Stern sein. Aber sie nehmen es tapfer, wir gruessen uns alle immer herzlich. Verstaendigen koennen wir uns mit Mueh und Not nur mit einen von ihnen. Aber wir duerfen davon ausgehen, dass es der allgemeinen Voelkerverstaendigung und dem Frieden zwischen den Voelkern dient, wenn sie nicht unsere Kommentare zur Dusche und dem Kuehlschrank und wir nicht ihre Einschaetzung unserer Lebensgewohnheiten verstehen.
Dann schleppen wir unsere Beute hoch in den dritten Stock und verschnaufen erst mal. Klaeren dann kurz noch mal die Frage, wer jetzt eigentlich unbedingt hierher wollte und entscheiden dann, ob wir ein Abendbrot am Tisch machen oder ins Erdgeschoss ins Bistro gehen. Das ist eine schwierige Entscheidung. Auf unserer Terrasse gibt es den Instant-Nudelsnack. Seit neuestem wird der sogar mit etwas Gurke und Paprika aufgewertet! Und zum Nachtisch gibt es ein Peanutbutter-Jelly Toastbrot (ungeroestet, logisch). Diesem Kulinarischen Hoehepunkt steht die Option gegenueber, im Bistro Reis mit Huehnchenklein zu bekommen. Unserer Vermieter glauben nicht daran, Huehnchen zu entbeinen. Und wow - man glaubt es ja kaum, wie viele Knochen so ein Tier hat, wenn es am Stueck auf 2*2 grosse Wuerfelchen zerhackt wird.
Unser Vermieter (derjenige welcher etwas Englisch sprechen kann) versucht (je nach Tagesform) uns ein paar Worte Khmer beizubringen. Das Vorhaben ist zwar amuesant - wir lachen viel dabei - aber wenig erfolgreich. Sobald ich ein paar gelernte Worte an meien Vermieterin hinrede, kommt ein Ausdruck der Panik in ihr Gesicht und sie springt los, um ihren Bruder oder den Nachbarn dazu zu holen.
Nach dem essen Puzzeln wir etwas herum oder schauen etwas Fernsehen (auf CDs und Festplatte von zu Hause mitgebracht). Gegen halb 10 bin ich voellig erledigt und muss ins Bett. Aber natuerlich bereiten wir schon den naechsten Morgen vor: wir weichen noch etwas Waesche ein und Stephan schaut noch ein bis zwei Stunden laenger Fernsehen, damit das auch klappt mit dem Schlafmangel.
Und ja - wir geniessen unseren Aufenthalt hier. Wir werden viele Eindruecke und liebgewonnnenes Neues mit nach Hause bringen. Allerdings werden wir dafuer zunaechst zu Hause eine Tiefkuehltruhe fuer unsere Leberwurst einkaufen muessen.