Samstag, 26. November 2011

Wie wir herumlaufen


Kleidungs-Alltag in Phnom Penh:  Stephan  zieht sich ein T-Shirt an, welches grossflaechig mit “BillaBong” oder “G-Star ” bedruckt ist und laeuft in Turnschuhen und Trekkinghose herum, gegen die Sonne wappnet er sich mit einem Camel-Trophy-Adventure-Schlapphut. Ich laufe in Schlabber-Hosen herum, die bestenfalls als Sporthosen durchgehen koennten, aber  wahrscheinlich eher Schlafanzughosen sind. Daruber trage ich wahlweise zu enge T-Shirts, einen komischen Umhaenge-Teppich (mit Fransen!) oder ein voellig verwaschenes Hamburg-Oberteil.

War das so geplant? Wollten wir im kambodschanischen Touristenlook umherlaufen? Nein. NEIN.

Zu fast ausnahmlsos jedem Teil unserer Garderobe  gibt es inzwischen einen detailliert ausgearbeiteten Endzeitplan. Den Umhaenge-Teppich (mit Fransen!) werde ich verbrennen. Die T-Shirts werden wir im Schrank liegen lassen, unsere Vermieter fiinden sicherlich Verwendung dafuer. Hosen und Kleider werden uns in Fetzen vom Leib fallen, hoffentlich halten sie bis Mitte Dezember durch. Keines unserer Teile jedoch wird den Weg nach Hamburg finden –  nur unter gegenseitiger Abgabe dieses Versprechens gehen wir auf die Strasse.

Musste das so kommen? Hatten wir nicht einen ganz anderen Plan? Ja hatten wir. Es ist mal wieder an der Zeit ein weiteres Kapitel in dem Buch "Plaene die leider nicht aufgehen" zu schreiben. Das Buch wird immer dicker - unerklaerlich. Es kann unmoeglich an meinen tollen Plaenen liegen.

Der Plan war also wie folgt: wir nehmen so wenig wie moeglich Kleidung mit und kaufe alles Benoetigte vor Ort auf dem Markt. Denn  schliesslich, so kann man in allen Reisefuehrern lesen, sind Kleidung und Anziehsachen vor Ort unschlagbar guenstig. Und nicht vergessen: immer handeln. Das steht in jeglichen Reisefuehrern und wird sowohl von Vielreisenden als auch gebuertigen Kambodschanern bestaetigt. Es wird vom Verkaeufer ein Preis genannt, der sei NIEMALS zu akzeptieren. Vielmehr sei  ein Gegenvorschlag von ca. 50% des Erstpreises zu machen. Der Verkaeufer wuerde sich zwar winden – das aber nur zum Schein. Letztendlich wuerde man je nach Verhandlungsgeschick bei 50 bis 80% vom Ursprungspreis landen.

Ja wunderbar. Ich packe also genau 5 U-Hosen, 1 Hose und ein Rock sowie  3 T-Shirts ein – und kaufe mir alles vor Ort auf dem Markt. Toller Plan.

Mein erster Gang auf dem Markt, gegeben meiner duenner Kleidungs-Vorraete, wurde also zuegig anberaumt.

Schon nach kurzer Zeit kam ich vom Markt zurueck – mit leeren Haenden. Ja Himmelhilf. Auf dem Markt draengeln sich die Staende, die Veraeuferinnen preisen ihr Angebot an, der Stand rechts vom avisierten hat genau die gleichen Shirts – oder doch nicht? Oder billiger? Oder besser? Welchen Stand soll man denn ansteuern? Sobald ich stehen bleibe werden die umstehenden Standbesitzer aktiv, reissen sich um meine Aufmerksamkeit  und  fleddern ein Shirt nach dem naechsten hin, begleitet von einem steten Redestrom in gebrochenem Englisch. Ueberfordert breche ich mein Vorhaben ab, gehe nach Hause und wasche meine  mitgebrachte Kleidung.

Ein zweiter Gang wird aberaumt – ich weiss was mich erwartet und wappne mich. Ich gehe also auf den Markt und steuer den dritten Stand an. Ich ignoriere die anderen Stanede und gehe einfach mal davon aus, dass sich die Angebote  mehr oder wenige gleichen. Mit grosser Geste zeige ich auf ein Stapel T-Shirts und frage nach dem Preis. Der sei 3 Dollar – ja was gibt es denn da noch zu handeln?! Ich picke mir also eine Farbe und Logo  heraus und signalisiere Kaufbereitschaft. Mirakuloeser Weise verdoppelt sich in dem Momet der Preis. Denn ausgerechnet diese Marke / Sorte / Machart sei leider teurer, aber auch viel besser verarbeitet. Aber aufgrund der guten Vorbereitung aus Hamburg handel ich mutig herum und kaufe das Shirt zu 5 Dollar. Und weil das ganze so anstrengend ist kaufe ich gleich 3 identische Teile in verschiedenen Farben. Zu Hause probiere ich sie an – und erkenne dass sie viel (VIEL) zu klein sind. Demuetig wasche ich meine mitgebrachte Kleidung.

Ich beraume den naechsten Gang an. Ich weiss was mich erwartet und gehe zu einem anderem Markt und dort auf einen Stand, der eine Umkleidekabine anbietet. Ich suche mir ein Teil aus  und probiere es an – es passt. Wunderbar. Ich frage nach dem Preis. Der wird genannt – ich reduziere um wenige Dollar – und die Verkaeuferin? Sagt “Nein”. Einfach so. Weder sich windend noch bedauernd sondern einfach nur “nein”.  Dank guter Ratschlaege von Reisefuehrern und Vielreisenden weiss ich was zu tun ist: ich bedanke mich und verlasse den Stand – immer mit Ohren in Richtung Verkaeuferin. Muesste sie nicht jetzt hinter mir herkommen und auf meinen Vorschlag eingehen? Muss sie nicht. Sie ruft mir nicht hinterher.  Sie verzichtet offensichtlich. Und jetzt? Was nun?  Ich gehe Ehr-erhaltend weiter  - ohne Shirt.

Eingedenk der zunehmend verwaschenen Shirts zu Hause beschliesse ich meine Kaeufer-Ehre dahinzugeben. Ob ich  9 oder 6 Dollar fuer ein echt gefaelschtes  CocoChanel Shirt zahle ist schliesslich kein wirtschaftliche Frage sondern lediglich eine spielerische.  Ich gehe also zu dem Stand zurueck und zahle einfach den geforderten Preis. Zumindest ist das der Plan.  Jedoch – ich finde den Stand im Gewirr der Gaenge und Ecken und Hallen nicht mehr. Die Suche bleibt erfolglos. Ich gehe nach Hause und wasche meine  mitgebrachte Kleidung.

Der naechste Gang wird anberaumt. Aber ich denke mit: ich gehe einfach in einen westlichen Laden mit Klimaanlage, Umkleidekabinen  und (!) Preisschildern. Dort angekommen muss ich jedoch sehen, dass hier fuer CocoChanel Leibchen auchCocoChanel Preise verlangt werden und langweilige trostlose T-Shirts fuer 35 Dollar verkauft werden. 35 Dollar? Da ist jetzt wirklich eine Frage der Ehre sowie der Wirtschaftlichkeit. Ich verlasse den Laden und gehe nach Hause. Wasche ich dort meine Hamburger Kleidung? Ja.

Der naechste Gang wird anberaumt – ich denke mit:  Ich gehe zurueck zu dem ersten Markt, steuer diesmal den fuenften Stand an, suche mir Shirts aus und (!) ziehe sie einfach probeweise einmal an, wurstig stopfend in zweiter Lage obendrueber. Ich frage nach dem Preis und (jetzt keine Fehler machen!) handel nur pro Forma und gesichtswahrend einen Dollar runter. Der Standbesitzer und ich werden handelseinig  und ich kaufe das ausgesuchte Shirt – und zwar in  sechsfacher Ausfertigung. Schluss mit Lustig.

Auch Stephan brauchte neuen T-Shirts und begleitet mich bei diesem Marktbesuch. Er ist bereits beim zweiten Stand stehen geblieben. Er  hat sich 6 T-Shirts ausgesucht, bezahlt den  den erstgenannt Preis, wird von der Verkaeuferin beglueckwuenscht und steht jetzt entspannt laechelnd vor mir. Er hat uebrigens das Gleiche pro Shirt bezahlt wie ich.  *seufz*

Zu Hause wasche ich alte und neue Shirts und sehe, dass mein 5 U-Hosen auseinanderfallen und ersetzt werden muessen.  Mir graust's...



Das entzueckende Oberteil kommt ohne Reissverschluss oder Knoepfe aus. Das lange rechteckige Tuch (mit rundem Ausschnitt in der Mitte fuer den Kopf) wird einfach mit Schnueren um den Oberleib festgewickelt.


Stephan hat seinen Bart schon dreimal gestutzt. Immer wenn ich kurz davor bin, kleine Zoepfe in sein Kinnbart zu flechten rasiert er ihn wieder ab *menno

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